Im Rahmen der Schadensregulierung nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall versuchen die Versicherer immer wieder mit verschiedensten Ansätzen die auszuzahlende Summe an den Geschädigten so klein wie möglich zu halten. Hierzu haben wir in der Vergangenheit schon viele unzulässige Versuche in Urteilen vorgestellt.
Nicht neu, aber offensichtlich wieder in Mode ist der Versuch der Versicherer bei einer fiktiven Schadensabrechnung auf Referenzwerkstätten in der Umgebung zu verweisen, die nach Prüfung der Versicherer zu einem günstigeren Preis die Reparatur anbieten sollen, als in der Fachwerkstatt.
Zwar ist grundsätzlich eine Verweisung an eine Referenzwerkstatt unter bestimmten Vorrausetzungen bei einer fiktiven Abrechnung nach der obergerichtlichen Rechtsprechung zulässig, jedoch dann nicht, wenn der Geschädigten das Auto reparieren lässt und sich den Schaden unter Vorlage der Reparaturrechnung erstatten lassen will. Hat der Geschädigte den Schaden durch einen Sachverständigen ermitteln lassen und möchte sich den dort ermittelten Schadensbetrag auszahlen lassen – also fiktiv abrechnen – kommen die Kürzungsversuche der Versicherung ins Spiel.
Soweit die von der Rechtsprechung grundsätzlich entwickelten Vorrausetzungen für eine Verweisung vorliegen, stellt sich dann unter anderem die weitere Frage, in welcher Entfernung darf sich eine solche Referenzwerkstatt befinden.
Auch hierzu gibt es unterschiedliche Urteile, die dieser Frage in der Vergangenheit nachgegangen sind.
Ganz aktuell hat das AG Berlin-Mitte, mit Urteil vom 01.02.2024, AZ: 117 C 162/23 V entschieden, dass die Verweisung auf eine günstigere Werkstatt in einer Entfernung von 15 Kilometern unzumutbar ist.
Nach Auffassung des Gerichts kann es vorliegend dahinstehen, ob es sich bei den genannten Referenzwerkstätten um qualifizierte Meisterbetriebe handelt, denn die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme ergibt sich bereits aus der Entfernung der Werkstätten von über 15 km zum Wohnort des Geschädigten. Aufgrund dieser Entfernung sind die Werkstätten nicht als mühelos erreichbar anzusehen.
Nach einem Verkehrsunfall sollten Geschädigte daher immer anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, um bestehende Ansprüche durchsetzen zu können. Bei einem unverschuldeten Unfall sind die Anwaltskosten ebenfalls von der gegnerischen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung zu übernehmen.
Ralf Breywisch
Rechtsanwalt u.
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Mitglied Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV