Sind beide Autos gefahren oder konnte ein Fahrer vorher anhalten?
Verkehrsunfälle auf Parkplätzen beschäftigen oft die Gerichte. Viele Unfälle geschehen hierbei, wenn beim rückwärts Ausparken. Von den Haftpflichtversicherungen wird oftmals ein Verstoß gegen das gegenseitige Rücksichtnahmegebot eingewandt und der Schaden nur zu 50 % reguliert. Wird von einem Unfallbeteiligten eingewandt, er habe zum Zeitpunkt des Heckanstoßes durch den anderen Unfallbeteiligten bereits gestanden, so wird dieser Einwand oftmals als unrelevant abgetan. Der Bundesgerichtshof hat sich in der letzten Zeit bereits zweimal mit Sachverhalten des Rückwärtsfahrens auf Parkplätzen beschäftigen müssen und dort auf die jeweils falsche Anwendung des Anscheinsbeweises hin die vorhergehenden Urteile aufheben müssen. In der Entscheidung vom 15.12.2015 (Az.: VI ZR 6/15) ging es um ein Unfallgeschehen auf einem Parkplatz vor einem Baumarkt. Die Unfallbeteiligten parkten jeweils rückwärts aus und stießen am Heck zusammen. Das Landgericht wies die Klage auf Regulierung des Schadens zu 100 % mit der Begründung ab, dass der Anscheinsbeweis für ein unfallursächliches Verschulden beider Parteien streite und es unerheblich sei, ob einer der beteiligten Fahrzeugführer sein Fahrzeug vor der Kollision zum Stillstand gebracht habe. Es müsse daher bei einer Haftung zu 50 % verbleiben. Dieser Auffassung folgte der BGH nicht und führte aus, dass der für die Anwendung des Anscheinsbeweises typische Geschehensablauf nicht vorliegt, wenn beim rückwärtigen Ausparken nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Fahrzeug im Kollisionszeitpunkt bereits stand, als das andere Fahrzeug in dieses hineinfuhr. Dies wird mit den besonderen Verhaltensregeln auf einem Parkplatz begründet, da dort jeder Verkehrsteilnehmer mit geringer Geschwindigkeit und bremsbereit fahren muss um jederzeit anhalten zu können. Gelingt einem Verkehrsteilnehmer das rechtzeitige Anhalten vor der Kollision, kann nicht von dem Anschein ausgegangen werden, der Anhaltende habe den Unfall verursacht, nur weil er rückwärts gefahren ist. Auch in seiner Entscheidung vom 26.01.2016 Az.: VI ZR 179/15 hat der BGH nochmals ausdrücklich daraufhin gewiesen, dass ein weitergehender Schadenersatzanspruch nicht mit der Berufung auf den Anscheinsbeweis gegen den Rückwärtsfahrenden abgelehnt werden darf, wenn feststeht, dass dieser vor der Kollision zum Stehen gekommen ist. Für die Regulierung eines Unfalls auf einem Parkplatz sollte daher immer anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden um die eigenen Schadenersatzansprüche durchsetzen zu können.
Ralf Breywisch
Rechtsanwalt u.
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Mitglied Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV
17.11.24 Nutzungsausfall und Erstattung der Fahrtkosten für die Ersatzbeschaffung nach einem Verkehrsunfall
Die Schadenersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall sind vielfältig und hängen vom Umfang des jeweiligen Schadens ab. Ist ein Fahrzeug nach einem Verkehrsunfall nicht mehr verkehrssicher, besteht ein Nutzungsausfallanspruch oder ein Anspruch