Muss die Vollkaskoversicherung bei einer fraglichen Unfallflucht Leistungen erbringen?
Unfallflucht, oder wie es im Gesetzestext heißt, dass unerlaubte Entfernen vom Unfallort, ist eine Straftat, welche nach dem Wortlaut recht einfach erscheinen mag, in der Praxis jedoch oftmals mit nicht unerheblichen Problemen und wesentlichen Folgen behaftet ist. Allein die strafrechtliche Frage, ob eine Unfallflucht vorliegt, ist für den Betroffenen nach einem Unfall oft nicht ohne weiteres beurteilbar. Ob sich jemand unerlaubt vom Unfallort entfernt hat, ist jedoch nicht nur von strafrechtlicher Bedeutung, sondern auch für die eigene Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, wenn es um die Begleichung von Schäden beim Unfallgegner geht, oder gegenüber der eigenen Kaskoversicherung, wenn es um die Regulierung der Schäden am eigenen Fahrzeug geht. Mit der Frage, ob die Kaskoversicherung von ihrer Leistungspflicht befreit ist, musste sich das OLG Hamm am 15.04.2016 Az.: I-20 U 240/15 befassen. In dem dortigen Verfahren begehrte die Klägerin als Versicherungsnehmerin von der Vollkaskoversicherung den Ersatz des aus einem Unfall entstandenen Schadens, den ihr Ehemann auf einer Autobahn verursacht hatte. Dieser geriet bei Aquaplaning mit dem Fahrzeug ins Schleudern und schleifte hierbei die Leitplanke. Nach dem Unfall stieg er aus und besah sich die Unfallstelle sowie die Leitplanke, an der er Schäden nicht erkennen konnte und fuhr in sein Büro, wo er dann die Vollkaskoversicherung über den Unfall informierte. Diese lehnte die Leistung mit der Begründung ab, er habe nach den Versicherungsbedingungen nicht den Unfallort verlassen dürfen ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Das OLG Hamm kam zu dem Ergebnis, dass die Versicherung den Schaden erstatten muss. Dies wurde damit begründet, dass eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung nicht vorliege. Es konnte schon nicht festgestellt werden, ob überhaupt ein bedeutender Fremdschaden verursacht worden sei. Auch habe der Versicherte nach dem Unfall sogleich die Versicherung informiert und es sei auch nicht zu erwarten gewesen, dass auf der Autobahn eine feststellungsbereite Person erscheinen würde. Auch hier sollte daher bei einem Verdacht der Unfallflucht unvermittelt anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden, um diesem Verdacht nicht nur im Interesse des Strafverfahrens kurzfristig beseitigen zu können, sondern um gfs. auch einer Leistungsverweigerung der eigenen Versicherungen entgegenwirken zu können.
Ralf Breywisch
Rechtsanwalt u.
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Mitglied Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV
17.11.24 Nutzungsausfall und Erstattung der Fahrtkosten für die Ersatzbeschaffung nach einem Verkehrsunfall
Die Schadenersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall sind vielfältig und hängen vom Umfang des jeweiligen Schadens ab. Ist ein Fahrzeug nach einem Verkehrsunfall nicht mehr verkehrssicher, besteht ein Nutzungsausfallanspruch oder ein Anspruch