Verstoß gegen Anschnallpflicht führt bei einem Unfall nicht zwingend zu einer Mithaftung!
Wer unverschuldet in einen Verkehrsunfall gerät, möchte den erlittenen Schaden selbstverständlich ersetzt bekommen. Die Schädiger und die entsprechenden Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungen versuchen jedoch oftmals dem Geschädigten ein Mitverschulden anzulasten, teilweise berechtigt und oftmals ohne tatsächliche Gründe.
Wer bei einem Unfall zum Beispiel nicht angeschnallt ist, verstößt gegen § 21 a Abs. 1 Satz 1 StVO, wenn der Unfall während einer Fahrt mit dem Fahrzeug geschieht. Eine Mithaftung kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn es durch das fehlende Anschnallen zu Verletzungen oder Schäden kommt, die bei einem ordnungsgemäßen Anschnallen nicht eingetreten wären. In der Rechtsprechung sind hierzu entsprechende Fallgruppen gebildet worden, bei denen davon ausgegangen wird, dass ein angelegter Gurt die Verletzung verhindert hätte. So wird bei Platzwunden auf der Stirn, bei schweren Gesichtsverletzungen oder beim Herausschleudern des Beifahrers vermutet, dass dies bei angelegtem Gurt nicht geschehen wäre. So von den Versicherern jedoch vom Gesamtschaden ein bestimmter Prozentsatz als Mitverschulden wegen des fehlenden Gurtes in Abzug gebracht wird, so ist dies falsch. Der Abzug darf nur hinsichtlich der Schäden erfolgen, die bei ordnungsgemäßem Anschnallen nicht eingetreten wären, unabhängig von allen anderen Schäden.
Durch den BGH musste nunmehr auch darüber entschieden werden, ob auch bei einem Zweitunfall ein Mitverschulden wegen dem nichtangelegten Sicherheitsgurt in Abzug gebracht werden muss. In dem konkreten Fall (BGH Az.: VI ZR 10/11 vom 28.02.2012) kam ein Fahrzeugführer aus ungeklärter Ursache von der Fahrbahn ab, stieß gegen die Mittelleitplanke und blieb unbeleuchtet stehen. Kurz darauf kam ein weiteres Fahrzeug und fuhr mit 130 KM/H gegen das stehende Fahrzeug, wodurch der Fahrer schwer verletzt wurde.
Der BGH hat hierbei festgestellt, dass für den Fahrzeugführer zum Zeitpunkt der Kollision mit dem nachfolgenden Fahrzeug keine Anschnallpflicht mehr bestand, da das Fahrzeug nicht mehr in Fahrt war, sondern an der Leitplanke zum Stillstand gekommen war. Der Fahrer war somit berechtigt den Gurt zu lösen um das Fahrzeug zu verlassen und sich in Sicherheit bringen zu können. Außerdem war auch gem. § 34 Abs. 1 Nr. 2 StVO dazu verpflichtet die Unfallstelle zu sichern, was ebenfalls nur nach dem Abschnallen vorgenommen werden kann. Ein Mitverschulden auf Grund des nichtangelegten Sicherheitsgurtes kam somit nicht in Betracht.
Ralf Breywisch
Rechtsanwalt u. Fachanwalt für Verkehrsrecht
Mitglied Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV