Dürfen oder müssen, was sind Rechte oder Pflichten nach einem Verkehrsunfall?
Wer einen Verkehrsunfall erleidet und sonst nicht mit der Materie der Schadensregulierung vertraut ist, bekommt von allen möglichen Ecken und Enden gute Ratschläge, was nun alles zu machen sei. Dazu kommt die Versicherung des Unfallgegners, welche ebenfalls Kontakt aufnimmt und darlegt, wie es aus Sicht der Versicherung vermeintlich geregelt werden soll. Hierbei wird jedoch von den Geschädigten oftmals vergessen, dass hinter diesen Ratschlägen eigene Interessen stehen.
So wird zum Beispiel behauptet, der Geschädigte müsse sich grundsätzlich auf eine freie Werkstatt zur Reparatur seines Fahrzeuges und die dortigen Preise verweisen lassen. Dieser Rat ist falsch. Eine grundsätzliche Verweisung ist nicht möglich. Diese kann nur unter bestimmten Voraussetzungen bei einer fiktiven Abrechnung erfolgen. Bei scheckheftgepflegten Fahrzeugen ist sie sogar grundsätzlich unzulässig, wie z.B. durch das Amtsgericht Kiel erneut am 17.10.2022 Az.: 115 C 261/22 entscheiden werden musste. Wird das Fahrzeug repariert, entscheidet immer der Geschädigte selbst, in welcher Werkstatt die Reparatur erfolgen soll.
Hat das Fahrzeug durch den Unfall einen Totalschaden erlitten, der durch einen Gutachter festgestellt worden ist, stellt sich die Frage, ob der Geschädigte eine bestimmte Zeit warten muss, ehe er das Auto an den höchsten Restwertaufkäufer verkaufen kann. Auch hier wird teilweise behauptet, dass der Geschädigte auf die Versicherung des Unfallverursachers warten müsste. So musste das Amtsgericht Soest am 25.07.2022 Az.: 14 C 22/22 darüber entscheiden, ob der Geschädigte, der sein Fahrzeug entsprechend des ermittelten Wertes im Gutachten zu einem Restwert von 9290,00 € verkauft hatte, obwohl ihm die Versicherung nach dem Unfall geschrieben hatte, dass er vor dem Verkauf auf ein Angebot der Versicherung warten solle, da diese ihm mit Sicherheit ein höheres Restwertangebot vermitteln könne, verkaufen durfte. Das Gericht bestätigte, dass der Geschädigte nicht auf die Versicherung und auf ein Angebot von der dortigen Seite warten muss. Der von der Versicherung einbehaltene vermeintlich höhere Betrag von 810,00 €, den die Versicherung nicht ausgezahlt hatte, musste diese an den Geschädigten zahlen.
Vor dem Hintergrund der Vielzahl von Fragen sollten Geschädigte eines Verkehrsunfalles anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, wobei bei einem unverschuldeten Unfall die Kosten hierfür ebenfalls von der gegnerischen Versicherung zu tragen sind.
Ralf Breywisch
Rechtsanwalt u.
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Mitglied Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV